Montag, 18. Juli 2011

16.07.2011, Puente la Reina-Villamayor de Monjardin 31,7km

Auch heute Morgen wurde Punkt Sechs das Licht angeschaltet. Dies läutete den Beginn des hektischen Massenaufbruchs ein. Gegen halb Sieben standen wir beide einsam und verwaist inmitten des Zimmers und alle waren fort.  Dann konnten wir uns auch eine Menge Zeit nehmen. Geruhsam schlenderten wir durch die stille Stadt und machten noch ein paar Aufnahmen.
Nach ungefähr sieben Kilometern gelangten an den Ortseingang von Cirauqui. Von dort ging es steil auf einen Berg und wir holten Ulrich ein, der langsam wie eine Schnecke den Berg hinaufschnaufte. Da konnte doch Sarah nicht weit sein. Bald darauf trafen wir sie. Der Weg führte nun durch navarrische Weinberge hindurch, über alte Römerbrücken und an alten sehenswerten Kirchlein vorbei.

Eine Weile liefen wir mit Alain und Hedwig, einem französischen Paar, welche wir schon in der Casa Paderborn getroffen hatten. "Edwische" war nachmittags stets vornehm mit einem roten kurzen Stretchkleid und Pumps bekleidet, so dass sie nicht wie ein Pilger aussah. Immer auf Stil bedacht. Unterwegs aßen wir Feigen, beobachteten Eidechsen und lasen immer wieder Losungen, welche auf Mülltonnen, Straßen oder Häuserwänden verewigt waren, z. B. "ETA - 700 Gefangene", "Du bist hier nicht in Spanien!" oder "Freiheit für das Baskenland". 

Zur Mittagszeit kamen wir in Estella an. Estella war immer eine wichtige Station auf dem Pilgerweg nach Santiago. Sie wurde "die Schöne" genannt und das mit Recht. Nun lag die Stadt still und schön vor uns. Zu dieser Tageszeit hat alles in Spanien geschlossen, Siesta. Was tun? Wir waren erst 22 Kilometer gelaufen und noch frisch und munter. Sollten wir hier bleiben, um uns am späten Nachmittag die Stadt anzuschauen und erst morgen weitergehen?

historische Pilgerbrücke in Estella
An der Kirche des Heiligen Grabes mit einem wunderschönen gotischen Portal  gingen wir vorbei und gelangten zur historischen Pilgerbrücke. Auf der alten Pilgerstraße schlenderten wir bis zum Palast der Könige von Navarra, wo wir kurz vor der Mittagspause die Nasen reinstecken konnten. Die Herberge machte erst in drei Stunden auf, also beschlossen wir, doch weiterzugehen.
Im Vorort wies uns ein Mann den Weg zum Supermarkt. Er bedauerte sehr, dass wir nicht ausführlich miteinander kommunizieren konnten. Seine Tochter konnte baskisch (an vorderster Stelle!), spanisch, englisch und deutsch sprechen. Schade, dass sie nicht da war. Wir haben uns trotzdem verstanden und er wünschte uns für unseren Weg viel Glück. Nach der Stärkung wanderten wir weiter und erreichten nach einem Kilometer die Weinkellerei "Bodega Irache".
Wein/Wasserbrunnen Bodegas Irache
Unter Pilgern hatte sich bereits herumgesprochen, dass dort an der Wein- und Wasserquelle der Bodega ein gutes Tröpfchen auf den Pilger wartete. Und auch wir waren bereit für eine Rast. Noch schöner wäre es gewesen, wenn eine Bank dagestanden hätte, aber vermutlich wären da einige Pilger nicht wieder aufgestanden. Wir füllten unsere Flaschen und zapften einen schönen Wein für unser Picknick. Zur selben Zeit traf ein Pärchen auf dem Motorrad ein. Wie sich herausstellte, stammten sie aus Thüringen vom Rennsteig und machten eine Pyrenäenrundfahrt. Nachdem wir gesättigt waren, liefen wir zum Kloster Irache, welches Mario unbedingt sehen wollte. Unter schattigen Bäumen wollten wir bis 16.00 Uhr auf die Öffnung des Klosters warten. Uns war vom vielen Wein auch ein bisschen schläfrig und so machten wir es uns unter den Bäumen bequem. Die Ruhe wärte nicht lange, da kam ein angetüttelter Stuttgarter zu uns. Er war vom Wein recht gut drauf, aber unsere Ernüchterung folgte auf dem Fuß. In seinem Führer stand, dass das Kloster erst wieder um 17.00 Uhr öffnete.


So lange konnten wir nicht warten. Also Schuhe an, Rucksack auf den Rücken und wir marschierten los. Die Nachmittagshitze machte uns ganz schön zu schaffen. Mühsam kraxelten wir bei der Hitze den Berg hoch, immerhin waren es noch acht Kilometer. Weit und breit kein Baum, nur abgeerntete Felder, flirrende Hitze und kurz vorm Tagesziel ein mittelalterlicher Maurenbrunnen, der wie ein Tempel aussah. Aber es sollte noch schlimmer kommen. Als wir endlich in Villamajor de Monjardin ankamen, hatte die Herberge Oasis Trails, welche von Niederländern bewirtschaftet wurde, kein Bett mehr frei. In der kirchlichen Herberge war im vergangenen Winter das Dach eingestürzt und so fehlten dort ebenfalls 24 Betten. Ich war am Ende meiner Kraft. Wir waren knapp 32 Kilometer gewandert und die nächste Herberge war noch mal 13 Kilometer entfernt. Die Herbergsleute ließen sich nicht erweichen, ein Stück zusammenzurücken und so hatten wir Glück, dass wir für einen Euro duschen und unsere Klamotten waschen durften. Sie gaben uns eine etwas stärkere ISO- Matte für die Nacht und boten uns an, in Hauswandnähe zu schlafen. Am Ende teilten noch drei andere Pilger unser Schicksal.

Vor der Herberge befand sich ein großer Kinderspielplatz, eine überdachte Spielhalle und eine Bar, die wir aufsuchten, um uns zu stärken. Das Menü schmeckte nach den Strapazen vorzüglich und war auch reichlich. Aber richtige Stimmung kam erst gegen 21 Uhr auf, als wir uns zur Nachtruhe unter freien Himmel begeben wollten. Denn nun kamen alle, aber wirklich alle Einwohner des Dorfes zur Samstagabendparty. An Schlafen war nicht zu denken. Die Kinder hopsten bis 1 Uhr nachts auf dem Spielplatz herum, die Erwachsenen verabschiedeten sich mit lauten Böllern gegen 2 Uhr. Wir hatten uns beide gekracht und redeten kein Wort miteinander. Mario legte sich zum Trotz nicht ans Haus der Herberge, sondern unter eine Bank auf dem Spielplatz und ich konnte kein Auge schließen. Bei jedem Geräusch zuckte ich zusammen, schaute runter zum Spielplatz. Lag er noch da, war der Rucksack mit dem Geld und den Papieren noch an Ort und Stelle? Fängt es an zu regnen? Der Wind wehte recht kühl, es zog von unten und von der Seite. Ich hatte also eine Menge Zeit nachzudenken, herumstreunende Katzen zu beobachten und den stündlichen Klängen der Glocken zu lauschen. Hoffentlich kommt bald der Morgen!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen