Die Nacht war etwas ungewohnt und dadurch unruhig. Aber Punkt Sechs Uhr mit dem Glockenläuten stürmte der Hospitaliero in unser Zimmer, knipste das Licht an und wünschte lautstark einen guten Morgen. "Früher Vogel fängt den Wurm", also nichts wie auf. Zu Packen war nicht viel und so setzten wir uns gut gelaunt mitten hinein ins Stimmengewirr und ließen uns Weißbrot, Marmelade und Milchkaffee schmecken. Nach dem Frühstück ging es um 7 los. Wir verließen durch das "Spanische Tor" SJPdP und nahmen unsere erste Etappe in Angriff. Wir waren uns nicht ganz sicher, ob diese zur Eingewöhnung nur bis Orisson gehen sollte, aber Helmut hatte uns geraten, dass noch relativ gute Wetter des heutigen Tages zu nutzen und gleich als Etappenort Roncesvalles zu wählen.
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Aufstieg |
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kurze Pause |
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Herberge Orisson |
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eine kalte Cola bitte |
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ein kühles Wasser bitte |
Der Himmel war bewölkt, aber das konnte ja für den ersten Tag mit solchen Anstiegen nicht schaden. Hauptsache, es regnete nicht. Saint Jean Pied de Port liegt auf einer Meereshöhe von ungefähr 200 Metern. Es ging 2 Stunden steil bergan nach Orisson. Wir bewunderten einen älteren Mann, der diese Etappe mit einem Rollkoffer in Angriff nahm. Wollte er auch bis Santiago pilgern? Mit hochrotem Kopf gelangten wir zu der Herberge in Orisson. Wir stärkten uns mit Getränken und füllten unser Wasser nach. Je höher wir kamen, desto nebliger wurde es. Einige französische Jugendgruppen waren unterwegs und füllten die Stille mit Gesängen und natürlich auch lautem Gerede. Wir konzentrierten uns auf den anstrengenden Weg und hatten keine Lust zum Reden. Wir mussten unseren Rhythmus finden. Ab und an schauten wir uns um: traumhafte Bergkulissen, wabbernde Nebelschwaden, viele Schafe, Kühe und Pferde, die friedlich auf den Bergwiesen grasten. Idyllisch.
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Marienfigur |
An einer Marienfigur vorbei, um die Steinadler kreisten, gelangten wir bald an den Rolandsbrunnen und das hieß: Zeit für ein Picknick. Dieser Brunnen ist 1340 Meter hoch gelegen und gedenkt dem Grafen der Bretagne Roland, der im Dienste Karl des Großen im Jahr 778 gegen die Mauren kämpfte und den Tod bei einem Überfall durch die Basken fand.
Nun waren es nur noch 150 Meter und wir erreichten das spanische Navarra.
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Nebeltanz |
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Rolandsquelle |
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Grenzstein zu Navarra |
Nach beinahe 4,5 Kilometern erreichten wir die höchste Stelle unserer Pyrenäenüberquerung mit 1420 Meter über Normal Null. Bald darauf mussten wir uns entscheiden: Nehmen wir den Abstieg ins Tal, der zwar geradeaus, aber steinig und steil war oder oder nehmen wir einen kleinen Umweg in Kauf und lassen es knieschonender und leichter angehen. Gerade bei steilen Abstiegen entwickeln sich schnell Blasen und wir wollten nicht riskieren, gleich am Anfang leiden zu müssen. So stiegen wir über den Ibaneta-Pass zur Abtei Roncesvalles auf 1066m. Der Nebel ließ kaum Ausblicke ins Tal zu und Mario haderte mit seinem Schicksal, die Abtei nicht aus der Höhe bewundern zu können.
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Abstieg |
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Waschküche |
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Nebelweg |
Nach zirka 27 km kamen wir gegen 15 Uhr an. Freundliche niederländische Hospitalieros begrüßten uns in der neusanierten Herberge mit Küche, Snackautomaten, Waschmaschine und Trockner. Wir bezogen unser Doppelstockbett. Uns gegenüber lagen Adriano (Jin woo) und Kyo Jick aus Südkorea. Adriano hatte sich einen europäischen Namen zugelegt, denn er studierte in Rom seinen Master in Jura. Nachdem wir uns eine halbe Stunde ausgestreckt hatten, haben wir unsere Wäsche für 2,70 Euro waschen und trocknen lassen.
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Abtei Roncesvalles |
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unten Adriano aus Südkorea |
In der nebenan gelegenen Casa Sabrina bestellten wir für den heutigen Abend ein Pilgermenü für 9€, welches wir gegen 19.00 Uhr mit anderen Pilgern einnahmen. Doch vorher trafen wir Sarah aus Dittersbach-Dürröhrsdorf wieder. Sie kam gegen 18.00 Uhr in der Herberge an und war bis auf die Haut pitschnass. In der Zwischenzeit hatte es angefangen zu gießen und es sollte auch die ganze Nacht mit Gewitter und Platzregen weitergehen. Wir waren jedenfalls froh, diesen Wetterumschwung abgepasst zu haben. Auf unserer weiteren Reise hörten wir immer wieder von Pilgern, die sich am nächsten Tag durch strömenden Regen über die Pyrenäen kämpften.
Beim Pilgermenue trafen wir auf Lutz, einen Chemnitzer, der vor der Wende in Ungarn durch die Donau abgehauen ist. Nun lebte er wieder in Chemnitz. Außerdem saß auch eine Abiturientin aus Hannover mit am Tisch. Sie war allein mit dem Rad nach Santiago unterwegs. Bei ihrem Vater musste sie vorher einen Crashkurs in Sachen Fahrradreparatur absolvieren. Es wurde ein schöner unterhaltsamer Abend. Nachdem wir uns an Pasta, Forelle mit Pommes, Dessert und dazu Wein gestärkt hatten, gab es in der Messe 20 Uhr noch den Pilgersegen. In der Pilgermesse wurden alle Herkunftsländer der Pilger des Tages verlesen. Wir lauschten andächtig den Gesängen und waren stolz darauf, unsere erste Etappe so gut gemeistert zu haben.
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Pilgermenue |
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Pilgermesse |
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Jacobus in der Kirche Roncesvalles |
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